rgzv-ense-bremen
  Tierschutzgesetz
 

Forderungen laut Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qual­züchtungen) vom 02.06.1999

 

Hausgans (Anser anser f. dom.) ,

 

Monogen vererbte Merkmale

 

Lockenbildung:

Abweichung der physiologischen Federstruktur. Bei Ausstellungstieren dieser Rasse sind insbeson­dere die Deckfedern in den Schulter- und Flügelfluren sowie im Bereich des Rückens und der Flan­ken stark verlängert und spiralig verdreht

 

Vorkommen: Zuchtziel bei der Rasse Lockengänse

 

Genetik: Erbgang noch nicht hinreichend geklärt, vermutlich autosomal unvollständig dominant

 

Symptomatik:

Da der Federschaft der Lockenfedern sehr weich und brüchig ist, spaltet er häufig in der Mitte auf, so dass die Federhälften schlaff herabhängen, wodurch gleichzeitig eine besondere Federfülle vor­getäuscht wird. Laut MARKS (1991) fallen bei der Verpaarung zweier standardgerechter Locken­gänse neben gelockten und ungelockten Tieren auch sog. "überlockte", für das Lockengen vermut­lich homozygote Exemplare an, bei denen das gesamte Körpergefieder Anomalien aufweist Außer­dem sollen gelockte Hausgänse Vitalitätsmängel besitzen, da nach SCHMIDT (1996) auch heute noch die Züchterweisheit gilt "Je voller die Locken, desto empfindlicher das Tier" "Überlockte" Exemplare weisen verminderten Selbstaufbau in Form von Wachstumsdepressionen und Fertilitäts­störungen auf (MARKS, 1991 )

Empfehlung: Überwachung der Zuchtpopulation Wissenschaftliche Überprüfung, inwieweit mit dem Merkmal "Gefiederlockung" Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten können, gegebenenfalls Zuchtverbot.

 

Oligogen oder polygen vererbte Merkmale

 

Extreme Hautfaltenbildung

 

Definition: Auffällige, als " Wammen" oder "Kiele" bezeichnete und je nach Ernährungszustand mehr oder weniger stark verfettete, teilweise am Untergrund schleifende Hautfalten

 

Vorkommen: Zuchtziel bei der Rasse Toulouser Gänse

 

Genetik: Genetisch fixiert, Erbgang bisher nicht geklärt

 

Symptomatik: Toulouser Gänse des Ausstellungstyps sind behäbig und unbeweglich, was sich in einer verminder­ten Weidetauglichkeit (GOLZE, 1995) und nicht zuletzt in einer im Vergleich zu wammenlosen Rassen deutlich geringeren Zahl befruchteter Eier niederschlägt (Toulouser Gans 57 %, Diepholzer Gans 83%, leichte Höckergans 86 %, (SCHNEIDER, 1985)f

 

Empfehlung: Vermeidung von Übertypisierungen. Die Wammenausbildung darf nur einen Ausprägungsgrad er­reichen, durch den Fortbewegung, Fortpflanzung und andere Funktionskreise des Normalverhal­tens nicht beeinträchtigt werden und keine Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten können.

 

Literatur: BUND DEUTSCHER RASSEGEFLÜGELZUCHTER. Hrsg (1995 Deutscher Rassegeflügel-Standard Howa Druck & Satz GmbH. Nürnberg

 

Hausente (Anas platyrhynchos f. dom.)

 

Monogen vererbte Merkmale

 

Federhaube

 

Definition: Federhaube am Hinterkopf, der Grösse sehr variabel ist und von kleinen, nur aus wenigen Federn bestehenden Gebilden bis hin zu grossen Vollhauben reicht (REQUATE, 1959)

 

Vorkommen: Rassekennzeichen der Rasse Haubenenten. Federhauben kommen darüber hinaus bei Hochbrutflugenten und Zwergenten vor.

 

Genetik: Vermutlich autosomal unvollständig dominant mit variabler Homozygot in der Regel letal, heterozygot mit unvollständiger Penetranz.

 

Symptomatik: Die Haubenfedern inserieren in einem verdickten Hautbezirk, der sich speziell bei umfangreichen Hauben zu einem fettreichen Bindegewebshöcker entwickeln kann. Enten mit Grosshauben weisen darüber hinaus ausgedehnt Haubenhaut direkt mit den Hirnhäuten verwachsen. Wachstumsprozesse und Fetteinlagerungen in der Bindegewebsverschmelzung können zu Gewebeverlagerungen in die Schädelhöhle führen und Teile des Gehirns verdrängen. Die Folge sind Sinnesstörungen und in schweren Fällen der Tod (REQUATE, 1959)  Diese Probleme bei der Zucht von Haubenenten sind keinesfalls neu. So berichten bereits KRAUTWALD (1910) und Rüst  (1932), dass    bei Haubenenten neben einer erhöhten Embryonalsterblichkeit auch zahlreiche plötzliche Todesfälle unter Jung- und Alttieren auftreten können.

 

Empfehlung: Überwachung der Zuchtpopulation. Wissenschaftliche Überprüfung, inwieweit mit dem Merkmal  Federhaube sowohl bei homozygoten als auch bei heterozygoten Genträgern bzw. ihrer Nachzucht Körperteile oder Organe für den artgerechten Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten können, gegebenenfalls Zuchtverbot.

 

Oligogen oder polygen vererbte Merkmale

[Inphysiologische Körperhaltung

 

Definition: Unphysiologische, steil aufgerichtete Körperhaltung mit durchgedrückten Intertarsalgelenken.

 

Vorkommen: In extremer Ausprägung nur bei Indischen Laufenten

 

Genetik: Keine zuverlässigen Angaben über den Erbgang verfügbar.

 

Symptomatik: Als Zuchtziel wird eine extrem aufrechte Körperhaltung angestrebt. Die Augen sollen dabei fast senkrecht über den Zehenspitzen liegen. Nur das erste Drittel der Zehen sollte möglichst auf dem Boden stehen (BUND DEUTSCHER RASSEGEFLÜGELZÜCHTER, 1995). Bei dieser Rasse wird das vermehrte Auftreten von Gelenkerkrankungen beklagt, da besonders steil stehende Tiere bei Prämierungen häufig bevorzugt werden (SCHREINER, 1994). Detaillierte Untersuchungen zu dieser Problematik stehen allerdings bisher noch aus. Laut BAMBERGER (schriftl. Mitteilung) stellt der Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter e. V. hierzu fest, dass nach seinen Erfahrungen bei der Rasse Indische Laufenten degenerative Erkrankungen der Gelenke kein Problem darstellen

 

Empfehlung. Eine als Zuchtziel angestrebte extrem aufrechte Körperhaltung darf keine Disposition zu Schmer­zen, Leiden oder Schäden in sich bergen. Bei der Zucht ist vorrangig auf den Erhalt der vollen Funktionalität von Körperteilen und Organen sowie harmonischen Körperbau zu achten. Zuchtverbot für Enten mit Anzeichen degenerativer Gelenkerkrankungen und/oder Gleichgewichtsstörungen.

 

Literatur: BAMBERGER, U. (1996): BUND DEUTSCHER RASSEGEFLÜGEL Druck & Satz GmbH, Nürnberg.

 

 

Haushuhn (Gallus gallus f. dom.)

Monogen vererbte Merkmale

 

Ohrbommeln oder “Ear-tufts”

 

 Definition.: Bei den sog "Ohrbommeln handelt es sich um warzenförmige, befiederte Hautauswüchse an den Kopfseiten in unmittelbarer Nähe der Ohröffnungen.

 

Vorkommen: Bei Teilpopulationen der Rassen Araucana und Zwerg-Araucana.

 

Genetik: Autosomal unvollständig dominant mit variabler Expressivität.

 

Symptomatik: Das Merkmal "Ohrbommeln” hat für homozygote Genträger in der Regel letalen Charakter. Darüber hinaus ist auch für heterozygote Tiere im Vergleich zu bommellosen Tieren erheblich höherer Anteil absterbender Embryonen sowie eine signifikant höhere Kükensterblichkeit beschrieben (SOMES, 1978; SOMES PABILONIA 1981). Züchterische Erfahrungen bestätigen diese Untersuchungsergebnisse (BAUMEISTER 1987). Des weiteren sind bei Bommel tragenden Araucana-Hühnern Entwicklungsanomalien der Gehörgänge dokumentiert. Dieser kann bis hin zur völligen Reduktion verkürzt sein, so dass das Trommelfell an der Kopfaußenseite liegt Diese Miss­bildungen werden als Folge einer unvollständigen Verwachsung der Hyoid- und Mandibularbögen während der Gesichtsbildung angesehen (P ABILONlA u. SOMES, 1981, 1983). Nach Untersu­chungen an 10 Bommel tragenden Araucana sind kleine Bommeln zumeist mit unauffällig runden Ohröffnungen assoziiert, während bei großen Bommeln die Ohröffnungen spaltartig in die Länge gezogen sind. 1n der Größe der Hörbahnkerne unterscheiden sich Bommel tragende Araucana nicht statistisch signifikant von anderen Haushuhnrassen (FRAHM und REHKÄMPER, 1998).

 

Empfehlung: Zuchtverbot für Hühnerrassen mit Ohrbommeln, da aufgrund der bisher vorliegenden wissenschaft­lichen Erkenntnisse bei homozygoten Genträgern mit dem Absterben zwischen dem 17. und 19 Bebrütungstag und bei heterozygoten Genträgern mit Embryonalsterblichkeiten von 24,1 bis 45,7 % am 20 und 21 Bebrütungstag sowie einer signifikant gesteigerten Jungtiermortalität und Bauanomalien der Gehörgänge bei den überlebenden Tieren gerechnet werden muss. Die seitens des Sondervereins der Züchter des Araucana- und Zwerg-Araucana­-Huhns vorgebrachten Einwände rechtfertigen bislang keine andere Beurteilung.

 

Literatur: BAUMEISTER. M (1987)" Mutation der Araucana. Die Bommeln Deutscher Kleintier-Züchter 96, Nr. 22, 10-12.

 

 

Schwanzlosigkeit (Kaulschwänzigkeit)

 

Bei der Verlustmutation Kaulschwänzigkeit fehlen neben dem Schwanzgefieder und der Bürzeldrüse auch Teile des Synsacrums sowie die freien Schwanzwirbel und das Pygostyl.

 

Vorkommen: Kennzeichen von Kaulhühnern, Zwerg-Kaulhühnern, Ruhlaer Zwerg-Kaulhühnern, Araucana und ­Zwerg-Araucana

 

Genetik: Autosomal dominant mit unvollständiger Expressivität

 

Symptomatik: Das Fehlen des Schwanzgefieders sowie caudaler Wirbelsäulenabschnitte bedingt bei schwanzlosen Hühnern Kopulationsschwierigkeiten, da für den Tretakt wichtige Gleichgewichtsstabilisatoren feh­len (REGENSTEIN, 1979; SOMES, 1990) Völlige Schwanzlosigkeit, die "Kaulschwänzigkeit" oder auch nur mangelhafte Ausbildung der Schwanzregion sowie Verlust bzw. Missbildung der Bürzeldrüse können eine Reihe ungünstiger Begleiterscheinungen verursachen, die sich in der Lebensfähigkeit und in der Fruchtbarkeit nach GLEICHAUF (1972) "unangenehm" auswirken. Neben einem erhöhten Anteil von Embryonen, die am Ende der Brutzeit (17 - 21. Bebrütungstag) abstarben, war im Untersuchungsverlauf auch die Jungtiersterblichkeit innerhalb der ersten beiden Lebensmonate mit 12,1 % fast doppelt so hoch wie bei gleichaltrigen normalschwänzigen Kontroll­tieren (DUNN u LANDAUER. 1934) Die Autoren führen die erhöhte Mortalität bei schwanzlo­sen Küken hauptsächlich auf eine aufgrund der fehlenden Bürzeldruse mangelhafte Wetterfestigkeit zurück. Züchter der oben genannten Rassen weisen des Weiteren daraufhin, dass schwanzlose Hühnerküken oft Probleme beim Kotabsatz haben, da in den Dunen des Aftergefieders festkleben­der und verhärtender Kot zum völligen Verschluss der Kloakenöffnung führen kann (BAU­MEISTER, 1985; GRIESHABER, 1992; SCHÖNE, 1992)

 

Empfehlung: Überwachung der Zuchtpopulation. Wissenschaftliche Überprüfung, inwieweit kausale Zusammenhänge zwischen erblicher Schwanzlosigkeit und/oder fehlender Bürzeldruse und erhöhten Embryo­nalsterblichkeiten zwischen den 17. und 21" Bebrütungstag, gesteigerten Jungtiermortalitäten so­wie Minderleistungen bezüglich Selbstaufbau, Selbsterhalt und Fortpflanzung bestehen, gegebenen­falls Zuchtverbot.

 

 

Kurzbeinigkeit

 

 Definition: Auffällige Verkürzung und Verdickung der Läufe

 

Vorkommen: Charakteristisches Merkmal von Krüpern, Zwerg-Krüpern und Chabos. In ähnlicher Form bei Indi­schen Kämpfern und Indischen Zwergkämpfern

 

Genetik: Autosomal unvollständig dominant mit variabler Expressivität bei Krüper und Chabo, bei Indischen Kämpfern vermutlich polygen

 

Symptomatik: Der "Krüper-Faktor" hat bei Homozygotie in der Embryonalentwicklung Letalwirkung. Dabei herrschen zwei Letalkrisen vor: ein Teil der reinerbigen "Krüper" stirbt bereits nach ca. dreitägiger Inkubation ab; die überlebenden homozygoten Genträger verenden in der Schlupfphase. Der Anteil der erst gegen Ende der Bebrütungsdauer absterbenden Embryonen ist bei den verschiedenen Ras­sen variabel (Krüper 1,6- 2% [LANDAUER u DUNN, 1930], Chabo ca. 93% [LANDAUER, 1942]), was auf eine modifizierende Wirkung des genetischen Umfeldes zurückgeführt wird (Über­sicht bei SOMES, 1990). Für extrem kurzbeinige Indische Kämpfer wird ein weiterer Erbfaktor be­schrieben, der bei Homozygotie zum Embryonaltod gegen Ende der Bebrütungszeit und bei Hete­rozygotie zur Laufverkürzung führt Ergebnisse von Kreuzungsversuchen deuten allerdings darauf hin, dass die Kurzbeinigkeit Indischer Kämpfer von mehreren Erbfaktoren hervorgerufen wird, von denen lediglich einer bei Homozygotie letal wirkt (Übersicht bei SOMES, 1990). Ob dieser Letal­faktor auch in deutschen Beständen der Rassen Indische Kämpfer und Indische Zwerg-Kämpfer vorhanden ist, bedarf weiterführender Untersuchungen

 

Empfehlung: Verbot der Verpaarung von Hühnern, die in beiden Geschlechtern den "Krüper-Faktor" besitzen. ­Toleriert werden können nur Verpaarungen von "Krüper" x "Nichtkrüper", da der Züchter sonst damit rechnen muss, dass ein Teil der Nachzucht aufgrund eines vererbten Merkmales nach Ab­schluss der Organogenese abstirbt. Verpaarungen von Genträgern untereinander müssen außerdem durch geeignete Unterbringungsmaßnahmen ausgeschlossen wer­den. Diese Empfehlung muss von den Zuchtverbänden an die von ihnen betreuten Züchter in geeig­neter Weise belegbar weitergegeben werden. Außerdem müssen Übertypisierungen hinsichtlich einer extremen Laufverkürzung mit daraus resultierenden Beeinträchtigungen arttypischer Verhal­tensabläufe vermieden werden.

 

 

Struppfiedrigkeit

 

Definition: Federndes Kleingefieders sind gegen den Federstrich gebogen (invertiert).

 

Vorkommen: Verschiedene Haushuhnrassen

 

Genetik: Autosomat unvollständig dominant mit variabler Expressivität.

 

Symptomatik: Den Ausstellungstyp stellen die für den Struppcharakter heterozygoten Hühner dar. Das Gefieder liegt nicht glatt dem Körper an, sondern ist nach außen gekrümmt. Weiterhin fehlen den Hand­schwingen der Tiere häufig die Innenfahnen, was hier nicht als Zuchtfehler gilt, die Vögel aber weitestgehend flugunfähig macht. Homozygote Strupphühner sind während ihres ersten Lebensjahres fast völlig nackt und entwickeln auch später lediglich ein mangelhaftes Federkleid. Sie sind in der Regel steril Heterozygote, dem Rassestandard entsprechende Strupphühner zeigen, bedingt durch ihre abweichende Federstruktur, Störungen des Wärmehaushalts, die sich in einem erhöhten Stoff­wechsel und, gegenüber normalfiedrigen Hühnern, gesteigerter Herzschlagfrequenz äußern. Auch die hohe Embryonalsterblichkeit, bei Strupphühnern wird auf Stoffwechselstörungen zurückgeführt, da sie anscheinend in einem Mangel an Reservestoffen im Ei begründet ist

Bisher ist es allerdings unklar, ob "Struppfiedrigkeit" nur durch das "frizzle"-Gen hervorgerufen wird. So soll die sog. "Gefiederlockung"der Chabos und Zwerg-Cochin nicht durch dieses Gen hervorgerufen werden, sondern auf anderen Erbfaktoren beruhen (HAGEN, schriftl. Mitteilung). Eine wissenschaftliche Bestätigung steht bisher aus

 

Empfehlung: Überwachung der Zuchtpopulation. Wissenschaftliche Überprüfung, inwieweit aufgrund des vererbten Merkmales Struppfiedrigkeit bei homozygoten und heterozygoten Genträgern Körperteile oder Organe für eine artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hier­durch Schmerzen. Leiden oder Schäden auftreten können.

 

 

Federhaube

 

Definition: Federhaube unterschiedlicher Größe. die auf einer Schädelprotuberanz inseriert

 

Vorkommen: Merkmal verschiedener Rassen, besonders ausgeprägt u.a. bei Holländer Weißhauben (NEU = Holländer Haubenhühner), Paduanern, Sultanshühnern

 

Genetik: Autosomal unvollständig dominant mit variabler Expressivität

 

Symptomatik: Bei rezenten Hühnerrassen mit großen Vollhauben finden sich tief greifende Schädelveränderun­gen. Besonders auffällig erscheint im Vergleich mit den Schädeln haubenloser Hühnerrassen eine blasige Schädelprotuberanz, die von einer Vorwölbung des Os frontale gebildet wird und die Groß­hirn-Hemisphären enthält. Darüber hinaus sind auch Anteile des Gesichtsschädels deformiert oder fehlen völlig. Bereits beim Küken fallen diese Schädelprotuberanzen sowie die umgestalteten Nasenöffnungen auf. Der Einfluss der Bauanomalien von Schädel und Gehirn auf die Funktions­fähigkeit dieser Systeme ist bislang nicht hinreichend untersucht Schädelprotuberanz und Hauben­bildung stehen jedoch in keinem ursächlichen Zusammenhang, sondern wurden zur Erzüchtung be­sonders voluminöser Hauben genetisch kombiniert. Die eigentlichen Hauben werden beim Haus­huhn von harmonisch vergrößerten Kopffedern gebildet Sie sind senkrecht in die Kopfhaut einge­pflanzt. Die bei Haubenhühnern stark verdickt und mit einem Fettpolster versehen ist (REQUATE, 1959) Da Haubenhühner bei überhängenden Haubenfedern sehr stark in ihrem Sehvermögen be­einträchtigt sind, was sich auf ihre Aktivität und auf das Befruchtungsergebnis auswirkt, wird in der Zuchtperiode das Haubengefieder beschnitten oder mit Klebeband zusammengebunden. Darüber hinaus zeigt sich speziell die Kopfregion sehr anfällig für starken Milbenbefall, was möglicherweise auf ein verändertes Mikroklima in diesem Bezirk zurückzuführen ist.

 

Empfehlung: Begrenzung der Federhaubengröße auf ein Ausmaß, welches das Verhalten nicht beeinträchtigt, da dies zu Schmerzen, Leiden oder Schaden führen kann. Zuchtverbot für sichtbehinderte Haushühner. Bis in der Zuchtpopulation ein mit Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung vereinbarter Ausprägungsgrad durch züchterische Massnahmen erreicht wird, muss bei den betroffenen Individuen durch Beschneidung der sichtbehindernden Federn abgeholfen werden.

 

 

Bartbildung

 

Definition: Federbildungen unterhalb des Schnabelansatzes und an der Kehle. Kehllappen und Ohrscheiben bzw. Ohrlappen sind bei "bärtigen" Hühnern mehr oder weniger zurückgebildet, was auf eine ge­netische Kopplung bei der Merkmale zurückgeführt wird (SOMES 1990)

 

Vorkommen: Verschiedene Rassen. z. B.: Deutsche Lachshühner, Orloff und Antwerpener Bartzwerghühner.

 

Genetik: Autosomal unvollständig dominant mit variabler Expressivität

 

Symptomatik: "Federbärte", bei einigen Rassen noch in "Kinn-" und "Backenbärte" unterteilt, bedecken die un­tere Gesichtshälfte in rassetypischer Ausbildung vollständig und können bis über die Augen ragen, was in diesen Fällen das Gesichtsfeld der Hühner deutlich einschränkt

 

Empfehlung: Zucht von Tieren mit Federbärten, die so beschaffen sind, dass eine Einschränkung des Sehfeldes mit den damit verbundenen Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden kann.

 

Oligogen oder polygen vererbte Merkmale

 

Befiederung von Läufen und Zehen

 

Definition: Befiederung der normalerweise von Hornschuppen bedeckten Zehen und Läufe in sehr variabler Ausprägung

 

Vorkommen: Zahlreiche Rassen, z. B. Federfüßige Zwerghühner, Brahma, Zwerg-Cochin

 

Genetik: Nach Angaben von SOMES ( 1990) können grundsätzlich drei Gene (pti-l ; Pti-2, pti-3) beim Haushuhn eine Befiederung von Läufen und Zehen hervorrufen Eine Kombination der beiden dominanten Gene Pti-l und Pti-2 fuhrt zur Ausbildung einer ausgeprägten Federfüßigkeit (z. B bei Cochin, Sultanshühnern, Federfüßigen Zwerghühnern), beim Vorliegen nur eines der beiden Gene tritt nur eine schwache Lauf- und Zehenbefiederung auf (z B bei Deutschen Lachshühnern und Breda) Das rezessive Gen pti-3 ruft eine mittelstarke Befiederung der Läufe sowie der Zehen hervor. Offenbar können auch noch weitere Gene die Ausprägung der Lauf- und Zehenbefiederung modifizieren, da Größe und Form der Fußbefiederung bei den verschiedenen Rassen beträchtlich variieren können KOCH et al (1957) unterscheiden für das Haushuhn sieben Grundformen, zwischen denen vielfältige Übergänge und Kombinationen möglich sind. Hinzu kommt ein Befiede­rungstyp, bei dem im Bereich der Tibia armschwingenähnliche, kaudal abstehende Federbüschel, die so genannten "Geierfersen" oder "Stulpen" ausgebildet werden

 

Symptomatik: Der Grad der Behinderung steht in Zusammenhang mit der Struktur und dem Ausmaß der Laufbe­fiederung. Stark belatschte Rassen sind recht unbeholfen und in ihrer Scharraktivität beeinträchtigt. Durch Scharrbewegungen führender Hennen federfüßiger Haushuhnrassen sind insbesondere junge Küken Beschädigungen ausgesetzt. Weiterhin verschmutzen die befiederten Beine und Zehen sehr leicht durch anhaftende Schmutz- und Kotpartikel Des Weiteren scheint ausgeprägte Fußbefiede­rung Parasitenbefall zu begünstigen. Infolge gestörter entwicklungsphysiologischer Vorgänge in der Federbildung kann sich der Ausreifungsprozess der Feder verzögern. Dadurch ist die Federan­lage mit ihrer gut vaskularisierten Federpulpa ("Blutkiel") gerade bei weit abstehenden Latschen­federn einem erhöhten Risiko mechanischer Beschädigung ausgesetzt, was Blutungen zur Folge haben kann.

 

Empfehlung: Begrenzung der Fußbefiederung auf ein Ausmaß, das Verhalten und Lokomotion nicht beeinträch­tigt, da dies zu Schmerzen, Leiden oder Schäden führen kann. Bis in der Zuchtpopulation ein mit Bedarfsdeckung, Schadensvermeidung und Fortpflanzung vereinbarer Ausprägungsgrad der Fußbefiederung durch züchterische Maßnahmen erreicht wird, muss bei den betroffenen Individuen durch Beschneiden der ausdifferenzierten, vollständig verhornten Befiede­rung abgeholfen werden

 

 

Extreme Langschwänzigkeit

 

Definition: Wachstumshypertrophie des Schwanzgefieders

 

Vorkommen: Hähne der Rasse Phönix-Onagadori

 

Genetik: SASAKI u y AMAGUCHI (1970) führen die enorme Langschwänzigkeit auf das Zusammenwirken zweier Gene zurück, wobei das Gen mit den Ausfall der Mauser bedingt und das Gen Gt die Wachstumssteigerungen von Sattel- und Schwanzfedern bewirkt

 

Symptomatik: Männliche Tiere der Rasse Phönix-Onagadori fallen durch die außergewöhnliche Länge der Schwanz- und Sattelfedern auf. Letztere können bei Althähnen mehrere Meter lang werden, da durch besondere Haltung der Tiere das Schwanzgefieder nicht dem jährlichen Mauserzyklus unter­worfen wird. Die Gene mt und Gt sind bezüglich ihrer Auswirkungen sehr stark von Umweltbedingungen. Die sich auch auf den Stoffwechsel der Tiere auswirken, abhängig. Die Langschwänzigkeit lässt sich nach SASAKI u. YAMAGUCHI (1970) nur dann erzielen, wenn die Onagadori-Hähne in “Schrankkäfigen” auf Sitzstangen gehalten werden. Bei Auslaufhaltung stagniert das Federwuchstum und die Federn werden im normalen Zyklus gemausert. Nach Angaben von SCHMIDT (1985) werden die wertvollen mehrjährigen Schauhähne wie in Japan in schmalen hohen Schränken auf Sitzstangen gehalten, damit die Schwänze nicht beschädigt werden. Futter- und Wassernäpfe sind neben der Sitzstange angebracht, so dass der Hahn nicht auf den Boden muss.

 

Empfehlung: Die Haltung und Betreuung von Hähnen sog Langschwanz-Rassen muss artgemäß und verhaltens­gerecht sein. Die Möglichkeit der Tiere zu artgemäßer Bewegung darf nicht so eingeschränkt wer­den, dass ihnen Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden (§ 2 des Tier­schutzgesetzes). Überlängen des Schwanzgefieders durch tierschutzwidrige Haltungsbedingungen zu erzielen, ist grundsätzlich unzulässig.

 

 

Lachtaube (Streptopelia roseogrisea f. dom.)

 

Monogen vererbte Merkmale

 

Seidenfiedrigkeit

 

Definition: Befiederungsform, bei der keine geschlossene Federfahne ausgebildet wird, da die Strahlen der z.T. verdrehten Federäste nicht miteinander verzahnt sind

 

Vorkommen: Zuchtformen der domestizierten Lachtaube

 

Genetik: Autosomal unvollständig dominant

 

Symptomatik: Die Merkmalsausprägung äußert sich in einer gemäßigten (= heterozygoten) und einer ausgepräg­ten (= homozygoten) Federanomalie Diese besteht in einer Deformation der Hakenstrahlen sowie in einer mangelhaften Stabilität und Elastizität der Federstrahlen, die außerdem die Tendenz zeigen, sich zu verdrehen. Dadurch wird die Ausbildung einer geschlossenen Federfahne verhindert, wo­durch die Flugfähigkeit heterozygot seidenfiedriger Lachtauben stark eingeschränkt wird und homozygot seidenfiedrige Lachtauben völlig flugunfähig sind.

 

Empfehlung: Zuchtverbot für seidenfiedrige Lachtauben, da eingeschränktes Flugvermögen bzw. Flugunfähig­keit aufgrund vererbter Merkmale unter besonderer Berücksichtigung artspezifischer Verhaltens­muster als Schaden zu werten ist, der zu Leiden führen kann.

 

 

Haustaube (Columba livia f. dom.)

 

Monogen vererbte Merkmale

 

Seidenfiedrigkeit

 

Definition: Befiederung, bei der keine geschlossene Federfahne ausgebildet , verdrehten Federäste nicht miteinander verzahnt sind

 

Vorkommen: Verschiedene Haustaubenrassen

 

Genetik: Autosomal unvollständig dominant

 

Symptomatik: Die Merkmalsausprägung äußert sich in einer gemäßigten (= homozygoten) Federanomalie. Diese besteht in einer Deformation der Hakenstrahlen sowie in einer mangelhaften Stabilität und Elastizität der Federstrahlen, die ausserdem die Tendenz zeigen, sich zu verdrehen. Dadurch wird die Ausbildung einer geschlossenen Federfahne verhindert, wodurch die Flugfähigkeit heterozygot seidenfiedriger Haustauben stark eingeschränkt wird und homozygot seidenfiedrige Haustauben fast völlig flugunfähig sind.

 

Empfehlung: Zuchtverbot für seidenfiedrige Haustauben, da eingeschränktes Flugvermögen bzw. Flugunfähigkeit aufgrund vererbter Merkmale unter besonderer Berücksichtigung artspezifischer Verhaltensmuster als Schaden zu werten ist, der zu Leiden fuhren kann.

 

“Almond"

Definition: In Kombination mit anderen farbverändernden Genen bewirkt "Almond" bei Heterozygotie eine mehr oder weniger ausgeprägte vielfarbige Gefiederfärbung

 

Vorkommen: Färbungsvariante bei zahlreichen Haustaubenrassen. Neben der klassischen Almond-Färbung besitzen u. a. auch die Varianten "De Roy", "vielfarbig", "Magnani vielfarbig", "Magna "Sprenkel" und "Stipper" das Almond-Gen

 

Genetik: Geschlechtsgebundener Erbgang, vermutlich Z-chromosomal unvollständig dominant mit variabler Expressivität

 

Symptomatik: Bei Homozygotie fuhrt "Almond" zu prä- und postnatalen Jungtierverlusten Überlebende Tiere sind nahezu weiß gefärbt und weisen in der Regel hochgradige Schädigungen des optischen Apparates auf. Beschrieben werden u a Nystagmus, Spaltbildungen am Augapfel, ein- oder beidseitig  vergrößerte Augäpfel, Pupillendeformationen und Blindheit (VOGEL, 1992) In Kombination mit  farbverdünnenden Erbfaktoren sind auch bei für "Almond" heterozygoten Tieren Schadwirkungen in Form herabgesetzter Vitalität und Störungen im Bewegungsablauf beobachtet worden. (SELL, 1995)

 

Empfehlung: Verbot der Verpaarung von Tauben, die beide das "Almond"-Gen besitzen. Toleriert werden können nur Verpaarungen von Genträgern mit Tieren ohne "Almond"-Gen, da der Züchter sonst damit rechnen muss, dass bei der Nachzucht oben genannte Schäden auftreten. Verpaarungen von Genträgern untereinander müssen durch geeignete Unterbringungsmassnahmen (z. B.: ausschließliche Haltung von Genträgern des gleichen Geschlechts im Zuchtschlag) ausgeschlossen werden. Die Kombination des "Almond"-Gens mit farbverdünnend muss vermieden werden Diese Empfehlungen müssen von den Zuchtverbänden an betreuten Züchter in geeigneter Weise belegbar weitergegeben werden

 

 

Dominant-Opal'

 

Definition: "Dominant-Opal" bewirkt bei Heterozygotie eine Aufhellung der Gefiederfärbung sowie weiße Flü­gelbinden mit gleichzeitiger Ausbleichung des Großgefieders (Farbschläge z. B. hellblau mit weißen Binden, isabell mit weißen Binden)

 

Vorkommen: Färbungsvariante bei zahlreichen Haustaubenrassen

 

Genetik: Autosomal unvollständig dominant mit variabler Expressivität

 

Symptomatik: "Dominant-Opal" homozygote Tiere sterben zum überwiegenden Teil gegen Ende der Bebrütungs­dauer im Ei ab. Überlebende homozygote Tiere weisen häufig starkes Kopfzittern auf und errei­chen meist nicht die Geschlechtsreife. Für heterozygote Genträger sind bisher keine Defekte be­schrieben

 

Empfehlung: Verbot der Verpaarung von Tauben, die beide das "Dominant-Opal"-Gen besitzen. Toleriert wer­den können nur Verpaarungen solcher Tauben mit Tieren ohne das "Dominant-Opal"-Gen, da der Züchter sonst damit rechnen muss, dass bei der Nachzucht oben genannte Schäden auftreten. Verpaarungen von Trägern des Defektgens untereinander müssen durch geeignete Unterbringungsmaßnahmen (z. B.: ausschließliche Haltung von Trägern des Defektgens des gleichen Geschlechts im Zuchtschlag) ausgeschlossen werden. Diese Empfehlungen müssen von den Zuchtverbänden an die von ihnen betreuten Züchter in geeigneter Weise belegbar weiter­gegeben werden

 

Literatur:

SELL A ( !995} Tauben Züchten mit System Oertel u Spörer. Reutlingen

 

Oligogen oder polygen vererbte Merkmale

 

Befiederung von Läufen und Zehen

 

Definition: Die Fußbefiederung bei Haustauben äußert sich in zahlreichen Ausprägungsgraden und kann in Größe und Form bei den verschiedenen Rassen beträchtlich variieren. "Bestrümpfte" Formen wei­sen lediglich mit kurzen Konturfedern bedeckte Läufe auf, während viele Farben-, Kropf- und Trommeltauben ausgeprägte "Latschenbildungen" an den Füßen zeigen

 

Vorkommen: Merkmal zahlreicher Haustaubenrassen.

 

Genetik: Die starke Belatschung verschiedener Rassen wird auf das Zusammenwirken der Erbanlagen "Grouse" und "Slipper" zurückgeführt, die jede für sich lediglich eine spärliche Fußbefiederung be­dingen sollen.

 

Symptomatik: Der Grad der Behinderung steht in direktem Zusammenhang mit dem Ausmaß der Laufbefiede­rung. Stark belatschte Rassen sind vergleichsweise unbeholfen und bei Freiflughaltung witterungs­anfällig. Des Weiteren soll ausgeprägte Fußbefiederung Parasitenbefall begünstigen. Für die Fort­pflanzung sind stark belatschte Rassen ebenfalls auf menschliche Eingriffe angewiesen. Eier bzw. kleine Nestlinge können in der Fußbefiederung hängen bleiben und beim Verlassen des Nestes durch die Elterntiere herausgetragen werden, da federfüßige Haustaubenrassen bislang kein beson­deres Verhalten am Nest entwickelt haben, das einen Fortpflanzungserfolg ohne menschliche Ein­griffe garantiert. Um eine Vermehrung zu gewährleisten, wird den Tieren daher zu Beginn der Brutsaison i. d. R. die Fußbefiederung stark beschnitten. Infolge gestörter entwicklungsphysiologi­scher Vorgänge in der Federbildung kann sich der Ausreifungsprozess der Feder verzögern. Da­durch ist die Federanlage mit ihrer gut vaskularisierten Federpulpa ("Blutkiel") gerade bei weit ab­stehenden Latschenfedern einem erhöhten Risiko mechanischer Beschädigung ausgesetzt, was Blu­tungen zur Folge haben kann.

 

Empfehlung: Begrenzung der Fußbefiederung auf ein Ausmaß, welches keine Verhaltens- und Lokomotionsbe­einträchtigungen in sich bergen darf, da diese zu Schmerzen, Leiden oder Schäden fuhren können.

Bis in der Zuchtpopulation ein mit Bedarfsdeckung, Schadensvermeidung und Fortpflanzung ver­einbarer Ausprägungsgrad der Fußbefiederung durch züchterische Maßnahmen erreicht wird, muss bei den betroffenen Individuen durch Beschneiden der ausdifferenzierten, vollständig verhornten Befiederung abgeholfen werden.

 

 

Merkmale mit erblicher Disposition

 

Hypertrophiertes Wachstum der Schnabelwarzen und Augenringe

 

Definition: Auffällige Veränderungen der Nasenwachshaut und Orbitalringe mit permanenter Größenzunahme.

 

Vorkommen: besonders ausgeprägt bei den Rassen Indianer und Carrier.

 

Genetik: Keine zuverlässigen Angaben über den Erbgang verfügbar. FRITZSCHE et al. (1990) konnten jedoch nachweisen, dass es sich bei diesen Hautgebilden nicht um virusbedingte Entartungen handelt, sondern dass die gesteigerte Proliferationsrate der betroffenen Hautbezirke genetisch fixiert ist.

 

Symptomatik: Insbesondere bei älteren Tieren können verschiedene Funktionskreise im arttypischen Verhalten durch die altersabhängige Substanzzunahme von Schnabelwarzen und Augenringen beeinträchtigt werden. Tauben mit übertypisiert ausgeprägten Wucherungen haben aufgrund des stark eingeschränkten Gesichtsfeldes u a Schwierigkeiten, Futter optisch zu fixieren. Die Wachshautumbild­ungen können außerdem die Nasenöffnungen so stark einengen, dass eine physiologische Atmung nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist. Auch sollen bei Alttieren häufiger Entzündungen in den Warzenfalten auftreten (MARKS, 1980) Nach FRITZSCHE et al. (1990) müssen mehr­jährige Tiere häufig getötet werden, da die Lebensfähigkeit solcher Tauben durch zu stark ausgebildete Schnabelwarzen und Augenringe reduziert wird.

 

Empfehlung: Vermeidung von Übertypisierungen. Festlegung altersbezogener Grenzwerte für die Ausprägung von Schnabelwarzen und Augenringen, wobei das Ausmaß der entsprechenden Hautstrukturen auch bei älteren Tieren nicht zur Beeinträchtigung von physiologischen Körperfunktionen und des Normalverhaltens (insbesondere unbeeinträchtigte Atmung, uneingeschränktes Gesichtsfeld) führen darf. Zuchtverbot für Tiere mit übertypisierten Merkmalsausprägungen, da diese zu Schmerzen, Leiden oder Schäden fuhren können. Das gilt nicht nur für Ausstel­lungstiere dieser Rassen, sondern gleichermaßen für die gesamte Nachzucht.

 

Literatur: FRITZSCHE, K., H MÜLLER u. E WEISS (1990)' Untersuchungen über die Genese des pennanenten Wachstums der Schnabelwarzen bei einer Warzentaubenart J Vel Med B 37,544-548

 

MARKS, H. (1980)' Hulul-, Struktur- und Warzentauben. A Ziemsen Verlag, Wittenberg.

 

 

Hypertrophiertes Imponierverhalten

 

Definition: Züchterisch geforderte Verhaltenshypertrophie, die sich in einem übersteigerten Aufblasen des Kropfes mit Luft äußert

 

Vorkommen: Namensgebendes Merkmal für die Rassengruppe der Kropftauben oder Kröpfer.

 

Genetik: Keine zuverlässigen Angaben über den Erbgang verfügbar.

 

Symptomatik: Beeinträchtigung der normalen Kropfphysiologie. Durch erweiterte Kropfsäcke ("Hängekropf') besteht eine Disposition zu Kropfwandentzündungen infolge Fehlgärung, Säuerung und Fäulnisbil­dung von Kropfinhalt, die eine entsprechende tierärztliche Behandlung erforderlich machen (VOGEL, 1983; GERLACH, 1994)

 

Empfehlung: Vermeidung von Übertypisierungen, speziell von Kropfformen, die für das Auftreten von Kropf­wandentzündungen prädisponieren. Zuchtverbot für Tiere mit dilettierten Kropfsäcken. Vorrangig muss bei der Zucht auf den Erhalt der vollen Funktionalität von Körperteilen und Organen geachtet werden. Es wird darüber hinaus drin­gend empfohlen, nicht auf Merkmale zu züchten, die zu einer erhöhten Belastungsanfälligkeit führen.

 

Literatur: BUND DEUTSCHER RASSEGEFLÜGEL Oertel & Spörer, Reutlingen

 

 

Unphysiologische Stellung der lntertarsalgelenke

 

Definition: Züchterisch geforderte unphysiologische Stellung der Hintergliedmaßen mit gestreckten Intertarsal­gelenken

 

Vorkommen: Charakteristisches Kennzeichen diverser Taubenrassen.

 

Genetik: Obwohl systematische Untersuchungen über die Erkrankungshäufigkeit bei einzelnen Rassen bis­lang fehlen, deuten erste Befunde auf eine Disposition für degenerative Gelenkerkrankungen hin.

 

Symptomatik: Keine zuverlässigen Angaben über den Erbgang verfügbar.

 

Empfehlung: Bei der Zucht ist vorrangig auf den Erhalt der vollen Funktionalität von Körperteilen und Organen sowie harmonischen Körperbau und die Vermeidung von Schmerzen, Leiden oder Schäden auf­grund einer unphysiologischen Körperhaltung zu achten. Zuchtver­bot für Tauben mit Anzeichen degenerativer Gelenkerkrankungen. Es wird darüber hinaus dringend empfohlen, nicht auf Merkmale zu züchten, die zu einer erhöhten Be­lastungsanfälligkeit führen.

 

Literatur: BUND DEUTSCHER RASSEGEFLÜGELZÜCHTER, Hrsg (1984- 1994): Deutscher Rassetauben-Standard. Oertel & Spörer, Reutlingen

 

 

Kurzschnäbeligkeit

 

Definition: Extreme Verkürzung von Ober- und Unterschnabel

 

Vorkommen: Diverse Taubenrassen. Differenziert wird in den gegenwärtigen Standardbeschreibungen ohne kon­krete Schnabellängenangaben zwischen "kurzschnäblig" und "fast kurzschnäblig". Als "kurzschnäb­lig" werden aus der Gruppe der Mövchentauben folgende Rassen bezeichnet. Anatolische Mövchen, Deutsche Farbenschwanzmövchen, Deutsche Schildmövchen, Dominomövchen, Einfar­bige Mövchen, Englische Owlmövchen, Orientalische Mövchen, Turbiteenmövchen und Turbit­mövchen und aus der Gruppe der Tümmlertauben die Rassen Berliner Kurze, Breslauer Tümmler, Elbinger Weißköpfe, Englische Kurzschnäblige Tümmler, Kalotten, Kasaner Tümmler, Königs­berger Farbenköpfe, Königsberger Reinaugen, Stettiner Tümmler und Wiener Gansel. Zu den als "fast kurzschnäblig" bezeichneten Rassen zählen aus der Gruppe der Mövchentauben die Hamburger Sticken und aus der Gruppe der Tümmlertauben die Rassen Altstämmer, Budapester Kurze, Englische Long Faced Tümmler, Hamburger Schimmel, Hamburger Tümmler, Posener Farbenköpfe, Prager Tümmler, Usbekische Tümmler und Wiener Kurze (BUND DEUTSCHER RASSEGEFLÜGELZÜCHTER, 1995-1997)

 

Genetik: Keine zuverlässigen Angaben über den Erbgang verfügbar, vermutlich polygen bestimmt

 

Symptomatik: Bei Küken kurzschnäbliger Taubenrassen treten Schlupfprobleme auf, da aufgrund der extremen Schnabelverkürzung und/oder eines missgestalteten oder fehlenden Eizahnes die Eischale vom Küken nicht gesprengt werden kann. Solche Jungtiere verenden im Ei, wenn nicht vom Züchter eingegriffen wird. Durch die Umgestaltung des Schnabels können solche Taubenküken dann ein für den Selbsterhalt wichtiges Verhalten nicht ausüben. Darüber hinaus scheint die Zucht auf besonders kurze Schnäbel Schnabelmissbildungen zu begünstigen

Empfehlung: Zucht auf Schnabelformen, die alle für Selbstaufbau, Selbsterhalt und Fortpflanzung erforderlichen Schnabelfunktionen bei erwachsenen Tieren und ihrer Nachzucht gewährleisten. Festlegung von Schnabelindizes, die einen ungestörten Schlupf der Küken ermöglichen und nicht für Schnabelmiss­bildungen prädisponieren. Zuchtverbot für Tauben, deren Schnäbel nicht den jeweiligen Indizes entsprechen, wenn hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden entste­hen können, sowie für Tauben mit zuchtbedingten Schnabelmissbildungen.

 

Literatur: ASSMUS, W. (1979): Mövchentauben international. Oertel & Spörer, Reutlingen

BUND DEUTSCHER RASSEGEFLÜGELZÜCHTER, Rrsg. ( 1995 . 1997)" Deutscher Rassetauben-Standard. Oertel u. Spörer, Reutlingen.

 

 

Zitterhalsigkeit

 

Definition: Zitterhalsigkeit äußert sich bei Tauben in einem ruckartigen Zurückschnellen von Kopf und Hals

 

Vorkommen: Verschiedene Taubenrassen. Besonders ausgeprägt zeigt dieses anomale Verhalten die Rasse Star­garder Zitterhälse, bei der ausgeprägtes Halszittern, das sog. "Schlagen", ausdrücklich im Rasse­standard gefordert wird.

 

Genetik: Keine zuverlässigen Angaben über den Erbgang verfügbar, vermutlich autosomal dominant mit unvollständiger Expressivität

 

Symptomatik: Zitterhalsige Tauben bewegen sich nach ENGELMANN (1973) auffallend starr. Nahezu alle Funk­tionskreise des Normalverhaltens werden durch die Zitterhalsigkeit beeinträchtigt, wobei die Tau­ben während des "Halsschlagens" zu keinen anderen Reaktionen fähig sein sollen. Die anatomisch­physiologischen Grundlagen für diese Verhaltensstörung sind bislang noch unzureichend aufge­klärt.

 

Empfehlung: Überwachung der Zuchtpopulation. Wissenschaftliche Überprüfung, inwieweit mit dem Merkmal Zitterhalsigkeit Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten können, gegebenenfalls Zuchtverbot.

 

 

Abweichendes Flugverhalten (Flugrollen. Flugpurzeln. Bodenrollen etc.)

 

Definition: Als "Rollen" oder "Purzeln" bezeichnet man Abweichungen vom normalen Flugverhalten, die sich nach NlCOLAI ( 1976) auf Elemente des Balzfluges der Felsentaube zurückführen lassen.

 

Vorkommen: Zahlreiche Haustaubenrassen, die ein abweichendes Flugverhalten in verschiedenen Variationen zeigen können.

 

Genetik: ENTRlKIN u. ER W A y ( 1972) führen das abnorme Flugverhalten von Rollertauben auf ein auto­somal rezessives Gen zurück, dessen Expressivität stark durch weitere modifizierende Gene beein­flusst wird.

Symptomatik: Die komplexen Vererbungsgänge erklären die vielfältigen Varianten des "Rollerfluges", die z T. als rassenspezifische Varianten züchterisch manifestiert wurden. Während des Flugrollens können die Tiere pro Saltoserie bis zu 50 m an Höhe verlieren (ENGELMANN, 1984). Insbesondere bei hochgezüchteten Rollertaubenrassen kommen mehr oder weniger häufig Tiere vor, die während des Flugrollens die Kontrolle über sich verlieren, den Flug nicht mehr koordinieren können und sich als sog. "Todesroller" durch Aufschlag auf Hindernisse tödlich verletzen. Verlässliche Daten über die Häufigkeit derartiger Unfälle und ggf. rassespezifische Unfallträchtigkeiten fehlen bislang.

 

Die extremste Form des Flugrollens zeigen sog. "Bodenpurzler"-Rassen. Solche Tauben sind fast völlig flugunfähig und zeigen das "Flugrollen" daher auf dem Untergrund. Neben Tieren, die nur einen oder wenige Salti schlagen, werden auch sog. "Dauerpurzler" gezüchtet, die nach VOGEL (1992) mehr als 200 Überschläge pro Aktion zeigen können und dabei Strecken von über 30 m Salto schlagend zurücklegen

 

Empfehlung: Zuchtverbot von Bodenpurzler, da eingeschränktes Flugvermögen bzw. Flugunfähigkeit aufgrund vererbter Merkmale unter besonderer Berücksichtigung artspezifischer Verhaltensmuster als scha­den zu werten ist, der zu Leiden führen kann. Bei Flugrollertauben Selektion auf vermindertes Flugrollverhalten. Von den Zuchtverbänden sollten obere Grenzwerte bezüglich der Intensität des Flugrollens festgelegt werden. Roller­tauben müssen ebenso wie andere Haustaubenrassen mit abweichendem Flugverhalten grundsätz­lich auch zu normalem Schlagflug befähigt sein.

 

Literatur: ENGELMANN. C. (1984) Leben und Verhalten unseres Hausgeflügels. Neumann-Neudamm, Melsungen.

 

 

Federhauben und Federwirbel

 

Defination: Lokale Federstellungsanomalie im Kropf- bzw. Halsgefieder.

 

Vorkommen: Zahlreiche Haustaubenrassen

 

Genetik: Federhauben werden nach SELL ( 1994) autosomal rezessiv vererbt. Als Ursache für die Halsgefiederwirbel bei Perückentauben wird ein autosommal dominanter Erbfaktor vermutet, dessen Aus­wirkung an das Vorhandensein einer Anlage für die sog Muschelhaube gebunden ist

 

Symptomatik: Federhauben werden bei Haustauben von normalen Konturfedern gebildet, die in allen Anteilen harmonisch vergrößert sein können Diese Federverlängerung ist jedoch nicht unmittelbar auf die Haubenbildung zurückzuführen, sondern vielmehr als Produkt besonderer Zuchtauslese auf mög­lichst auffällige Hauben anzusehen. Die Lokalisation der Haubenwirbel ist bei Haustauben haupt­sächlich auf eine bis drei mögliche Kopfregionen (Oberschnabelbasis, Stirn und Hinterkopf) kon­zentriert. Auch diese einfachen Federwirbelbildungen, ohne tiefgreifende Veränderungen an Haut­ und Schädelanteilen, können durchaus zu einer ganzen Reihe von Beeinträchtigungen des Normal­verhaltens beitragen. Durch ausgedehnte "Scheitelrosen" und "Schnabelnelken" können Rassetau­ben derartig in der Sicht behindert werden, dass in etlichen Funktionskreisen des Normalverhaltens Störungen auftreten, wenn nicht seitens der Tierhalter die Haubenfedern auf ein halbwegs erträgli­ches Maß gestutzt werden. Federwirbel sind bei Haustauben. Im Übrigen nicht nur auf den Kopfbe­reich beschränkt, sondern finden sich auch in anderen Körperregionen. Besonders auffällige Feder­strukturen in den Halsseitenfluren besitzen Schmalkaldener Mohrenköpfe und Perückentauben. Diese Haustaubenrassen zeichnen sich durch große, aus verlängerten Federn bestehende Wirbel aus, die nach GOESSLER ( 1938) auf drei Bildungszentren zurückgehen. Die auf diese Weise ent­standene Federrosette kann Augen und Schnabel kapuzenartig überdecken, so dass die Vögel dann stark sichtbehindert sind und nur durch aufwendige Maßnahmen seitens der Taubenzüchter erhal­ten und vermehrt werden können

 

Empfehlung: Begrenzung der Federhaubengröße auf ein Ausmaß, welches keine Verhaltensbeeinträchtigungen in sich bergen darf, da diese zu Schmerzen, Leiden oder Schäden fuhren können. Gleiches gilt für Tiere mit Federwirbelbildungen in den Halsseitenfluren. Zuchtverbot für sichtbehinderte Taubenrassen. Bis in der Zuchtpopulation ein mit Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung vereinbarer Ausprägungsgrad durch züchterische Maß­nahmen erreicht wird, muss bei den betroffenen Individuen durch Beschneidung der sichtbehindernden Federn abgeholfen werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auszug zur Auslegung von §11b des Tierschutzgesetzes; HMN Software, Niederhübner



 

 
  Copyright auf Bild und Text unterliegt J. Lübben Stemmweg 4 59519 Möhnesee  
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden